
Daniel findet in diesen Äckern Werkzeuge aus der Steinzeit.
Er hat das Auge und das Wissen um diese Objekte zu entdecken.
Vom Wald her schallt das FrĂĽhlingsvogelkonzert, von irgendwo ein jaulender Hund und weiter weg noch mehr Bellen von Hunden. Ein Rauschen von einer Strasse weit hinter mir. Hinter mir liegen auch die zwei Bunker.
Ich habe sie kürzlich zum ersten Mal wahrgenommen, sie standen plötzlich vom Gestrüpp befreit da. Davor hat man
dort wohl Hecken vermutet aber ich kann mich an keine Hecken erinnern. Was man sieht und erinnert ist immer nur ein Bruchteil von dem, was man wahrnehmen und erinnern könnte. Obwohl ich Augen zum Sehen habe, entgeht mir das Meiste. Darüber nachzudenken ist ernüchternd. Wenn mir dann noch klar wird, dass eigentlich auch auf die Erinnerung kein Verlass ist, sehe ich unvermittelt meine ganze Existenz in Frage gestellt. Wer bin ich denn? Gibt es mich wirklich?
Jedenfalls höre ich Vögel und ein vorbeifliegendes Insekt. Früher, nun erinnere ich mich gerade vage, waren mehr Insekten da. Früher waren demnach wohl auch mehr Vögel da. Gerade wieder hat ein startendes Flugzeug die Atmosphäre aufgerissen. Nun klingt das Wummern ab. Vor mir liegt ein umgegrabener Acker, hier wird der Mais wachsen. Schon wieder ein Flugzeug.
Man muss sie ertragen, man hat keine Wahl. Von hier aus kann man sie sogar von der Startbahn lautlos abheben sehen. Als ob sie sich sang und klanglos davonstehlen wollten, was jedes Mal gründlich misslingt, denn mit zunehmender Höhe nimmt auch der Lärm rasant zu. Der Schall wird lauter, lauter,
lauter, bis es alles hier unten überlagert. Sobald er wirklich unangenehm geworden ist, ebbt er wieder ab, das Flugzeug steigt weiter, und entfernt sich. Danach bleibt für eine im Verhältnis lange Zeit das Wummern in der Luft hängen. Und schon hebt das nächste Flugzeug ab.
Dabei braucht es, um die Welt zu erfahren, gar keine Flugzeuge. Die Welt ist immer da, wo man selbst sich gerade befindet. Sie sehen und hören, den Rhythmus erfahren,
sich in einer undurchschaubaren Polyphonie wähnen, ist abenteuerlich und erfüllend. Auf dem Feld einen einsamen Nussbaum sehen, mit den Augen in seiner Baumkrone weiden, stellt einen Bezug her. Ich verwebe mich mit den Sinnen in einer Landschaft. Ein Flugzeug überschallt erneut alles Leben auf dem Boden. Und gleich noch einmal. Eine unsichtbare Textur erhärtet, wird spröde, brüchig, öffnet Leerstellen. Etwas wird steif, stemmt, liegt quer, blockiert, kollabiert. Ein Kollateralschaden der unerkannt bleibt. Hinschauen wird vermieden. Nicht wegschauen ist umso schmerzhafter.
Die Bunker hinter mir sind Teil der Marginot-Linie aus dem zweiten Weltkrieg. Unter enormen Anstrengungen haben die Franzosen dieses Bollwerk gegen Hitlers Truppen der ganzen Ostgrenze entlang gebaut. Doch die Nazis erfuhren davon, umgingen es und fielen über Belgien in Frankreich ein. Gerade ist ein Reh vor mir über das zukünftige Maisfeld gesprungen. Es war pfeilschnell und vollkommen lautlos. Alle 3, 4, 5 Sprünge nahm es einen riesen Sprung, flog gleichsam über den kahlen Acker und verschwand hinter den Bunkern im Wald. Ein schönes Tier!
(Mimi von Moos)
D’chräjie chrächze vo überall här
d’sunne brönnt zünftig
kei baum kei struuch wo schatte chönnt gäh
chrieg isch ä zuestand syni spuure
löcher im ruum
zwee überwachseni bunker hocke wie chrotte und glotze voll andacht zur gränze
orangsch und wyss sind vili vo de flüger am himmel wo die wohl alli hi göh
derwyle isch chrieg
dunde uf dr pischte
wartet no mänge ufs grüen liecht zum starte
derhinter aber ihr tiefi d’rhyauewälder riesig
bis hi zum Ysteiner Chlotz.
(Victor Saudan)
Les corneilles crient de toutes parts
le soleil tape
aucun arbre aucun buisson pour donner de l’ombre
la guerre est un état ses traces
des trous dans l’espace
deux blockhaus couverts de végétal assis comme des crapauds guettent pleins de dévotion la frontière
orange et blanc sont bon nombre d’avions au ciel vers quelle destination pourraient-ils bien aller en temps de guerre
en bas sur les pistes
bon nombre attendent le feu vert pour partir
derrière tout cela dans la profondeur l’immensité des forêts du Rhin jusqu’au pied de l’Isteiner Chlotz.
(Victor Saudan)
entre bunker et vol
déployer mes ailes
c’est le sommet de leur rêve
souvenirs sonores
(Martin Burr)