
Ich sitze am Fuss eines der Hochstammkirschbäume und höre das Summen der Bienen in der Blütenkrone. Die Blütezeit neigt sich dem Ende zu. Das Gras, in dem ich sitze, ist schon recht hoch und wackelt im Wind.
Ein Flugzeug, das soeben gestartet ist und nun über uns hinweg in die Ferne fliegt – wohin? Rom? Amsterdam? Berlin? Budapest? Prag? Wien? London? – es verdrängt vorübergehend alle Umgebungsgeräusche – Nun bleibt noch das Wummern, die Bienen summen wieder, drüben an der Grenze singt eine Amsel. Der Wind im Gras rauscht, auch die Stadt, dort hinten in der Ebene, rauscht. Ein Windstoss lässt die Blütenblätter ins zitternde Grasmeer schneien – Ich fühle mich verzaubert, willkommen, endlich angekommen im Leben. Ein Leben bestehend aus Abermilliarden verschiedenster Leben.
Wieder bricht sich ein Flugzeug durch den Himmel, Richtung Osten. Und gleich nochmal eins, wendet gegen Süden. Wien, Palermo, vielleicht.
Ich übe mich in Gleichmut. Nicht. Ärgern über die Dinge, die ich nicht ändern kann. Nicht. Mich empören, wütend sein, traurig, verzweifelt, frustriert, entsetzt, voller Widerwillen. Stattdessen. Mein Herz verschenken. Ein Flugzeug startet nach – jedenfalls nicht nach Kiev. Schon wieder eins, nicht nach Moskau. Aber ansonsten ist noch vieles möglich. Mein Herz. Eine Ambulanz, die, sobald das Ziel erreicht, den
Alarm abbricht. Mein Herz zerstreut. Eine Sirene erneut, vielleicht die Polizei, gleiches Prozedere, Abbruch abrupt
des Tüütaatüüta. Zwei Spaziergänger, beide mit je zwei Wanderstöcken. Er geht voraus in rotem Trainingsanzug, kahlköpfig, untersetzt, grüsst mit „bonjour“. Ich nicke
und setze zu einem Grusswort an, doch meine Sprachen verhaspeln sich und nichts kommt über meine Lippen. Die Frau mit 20 Metern Abstand, Thailänderin mit Sonnenbrille und Goldohrringen, ist ganz auf den Weg konzentriert. Wieder ein Flugzeug. Olbia? Eine weitere Sirene, gleicher Ablauf. Nun also bereits drei, Ambulanz, Feuerwehr, Polizei?
Hier spazieren viele Menschen. Ich kann ihre Fortbewegung auf dem Berg lange mit den Augen verfolgen. Die beiden Ungleichen halten die Distanz zueinander. Wenn er stehen bleibt, so bleibt auch sie stehen. Sie sind zwischen den beiden Nussbäumen durchgegangen, dann rechts und am Ende
der Felder nach links Richtung Hegenheim abgebogen. Die Allschwiler Kirchglocke läutet 18 Uhr. Die Bienen sind nach Hause geflogen. Eine Krähe krächzt in das Abendkonzert der Amseln, ich friere und gehe ebenfalls nach Hause.
(Mimi von Moos)
S’schneit mer wysi blüete über d hand alte chirsihain schattigi hoschtet
wyti sicht übers land
d türm vo basel wachse wie wild d’unde in dr ebeni schimmerets wyss schwarz und grau
immer wider röhrt’s am himmel flüger um flüger
ufem wäg in die wyt wält
im schutz vom holunderbusch es alts holzbänkli
wie ne lysligi liebi stimm :
« un mankmol danki : oh wie müess doch heim jetz alles im Bliehje steh ! vor lüter Blüescht un Maie jetzt
isch küm meh s’Därfle z’seh. –
Dü liebi Zit !
Isch küm jetz ‘s Därfle z’seh. » (Zitat von Nathan Katz)
(Victor Saudan)
Des fleurs blanches me neigent sur la main vieille cerisaie verger ombragé
large vue sur le pays
les tours de Bâle poussent comme déchainées en bas dans la plaine ça brille
blanc noir et gris
de temps à autre ça brâme dans le ciel avion après avion
sur le chemin vers le vaste monde
sous la protection du sureau
un vieux banc en bois
comme une douce voix qui m’est chère :
« Il m’arrive parfois de me dire :
Au pays, maintenant, comme tout doit fleurir ! Les arbres en fleurs, les fleurs des jardins,
Le village se voit à peine.
Ah ! juste ciel !
Le village se voit à peine. (…) » (Citation de Nathan Katz, traduit par Yolande Siebert)
(Victor Saudan)
kirsihain
bliete bluete beau
scharewiis üppigi fruits
saison après l’autre
(Martin Burr)