
Der Hof ist zur Strasse hin offen, hier steht das Windzimmer auf einem steinernen Erdgeschoss. Eine schiefe, marode Treppe führt zum Windzimmer. Der Anblick der Treppe verursacht Unbehagen und ich frage mich, wie es denn überhaupt möglich ist, dass sie hält? Da fehlt doch ein Stützbalken! Vor allem die Plattform vor dem Eingang. Sie besteht aus Holz und ragt einfach aus der Wand heraus. Nun steht Martin dort. Auf meine Frage antwortet er, dass diese Plattform nur hält, weil er sich das wünscht. Das Windzimmer hat also eine Wundertreppe.
Es ist weiss und sieht aus, wie ein hübscher alter Gartenschuppen, der vom Himmel kam und sich auf der steinernen Basis niedergelassen hat. Seine Wände aus ganzen, vertikal aneinandergereihten Brettern gezimmert, sind mit dekorativen Löchern versehen. Die Ritzen zwischen den Brettern bilden ein zusätzliches ornamentales Element. Die Löcher in Form von Drachenvierecken wirken dadurch wie auf Fäden aufgezogen und erinnern an die Kristalle eines Kronleuchters, was sehr passend ist, wenn ich an das von ihnen verursachte Lichtspiel im Innern des Windzimmers denke. Unten endet das Windzimmer in einem Zickzackmuster, was mich an Spitzenbordüren erinnert.
Die das Windzimmer umgebenden Fachwerkhäuser erinnern mich an Matronen. Ihre sichtbaren Balken bilden das Gerüst des ganzen Gebäudes. Die Zwischenräume der Balken- Struktur wurden mit einer Stroh-Lehm-Mischung aufgefüllt, die über den Rahmen hinaus quillt, wie die Fettpölsterchen, die bei einer BH-Trägerin mitunter neben Riemen und Bändern hervortreten. Häuser, die nach warmem, weichem Leben aussehen, deren verschieden grosse Fenster sich auf unterschiedlichen Höhen befinden, sie scheinen gewachsen zu sein, nicht gebaut. Also schon gebaut, aber organisch. Ein Balken gibt die Bedingungen für den Nächsten vor und am Schluss steht da ein Individuum, rebellisch gegen Formalisierung und Standardisierung.
Im Hof neben dem Windzimmer schweben drei aneinandergereihte Briefkästen über einem Zaun, der eine Vorgarteninsel eingrenzt. Die Garteninsel wurde zu einem Dachziegellager umgenutzt. Die drei Briefkästen hingegen erfüllen keinen Zweck mehr. M. Müller, Ch. Bolliger, R. Segginger, R. Näf und L. Leuenberger wohnen nicht mehr hier. Daneben, auf der verputzten Fassade der Windzimmerbasis, entdecke ich ein aufgemaltes Wappen. Es sieht ganz frisch aus. Auf blauem Hintergrund kreuzen sich ein Schlüssel und ein Schwert. Passt der Schlüssel nicht, so nutze das Schwert. Könnte die Botschaft lauten.
Die Schlüssel der Briefkästen sind sicherlich noch irgendwo aufbewahrt, die Herren Müller, Bolliger, Segginger, Näf und Leuenberger werden sie nicht mitgenommen haben. Nutze das Schwert, dann findest du den Schlüssel, vielleicht. die Symbole der Ermächtigung, irgendwo einzudringen, ob freundlich oder nicht, potenzieren sich in der Kreuzung. Woher kommt dieses Wappen, wem gebührt es und was macht man damit? (Mimi von Moos)
Venu avec le vent
je m’installe sur un vieil escalier en pierre face à la chambre au vent
nichée dans une cour autrefois pavée ?
habitée de rosiers sauvages
peau douce et fragile du bois teint en blanc jadis
couleur d’hellébore fané
l’ancien jardin clôturé devenu un dépôt de tuiles de toits effondrés
façade en bois
percée d’ouvertures minuscules portes du vent, du soleil et des étoiles
carrées, diamants, pointes de lance épée blanche du temps perdu
clé en or pour entrer dans l’infini.
(Victor Saudan)
Cho mit em wind
hock ig mi ane vors zimmer vom wind uf ere stäge us altem stei
zarti verletzlichi hut vom gwysgete holz lang ischs här
farb vor verwälkte niesswurz
ygnischted imene hof dozmol mit bsetzistei? bewohnt vo hagebuttestrĂĽch
dr alti garte im haag
zum dachziegellager gworde ziegel vo ygstürzte Dächer
fassade us holz
glöcheret mit winzige muschter
ygang vom wind, vor sunne und de stärne
viereggli, diamante, speerspitze wysses schwärt us verlorener zyt goldschlüssel für d’unändlichkeit.
(Victor Saudan)
blinzle bim blaue
so, voilĂ jetzt, do simmr
enfin am aafang.
(Martin Burr)